SOS

Dem Thema Suizid ein Gesicht geben

Text: Anja Prechel

Warum sich Jörg Engelhardt für FRANS, das Frankfurter Netzwerk für Suizidprävention engagiert

„Jeder Mensch ist es wert, dass man sich um ihn kümmert und um ihn kämpft“, sagt Jörg Engelhardt. Darum engagiert er sich für das Frankfurter Netzwerk für Suizidprävention, kurz FRANS, das 2014 auf Initiative des Gesundheitsamts Frankfurt gegründet wurde und seither gemeinsam mit seinen 75 Mitgliedsinstitutionen und -organisationen für das Thema Selbsttötung sensibilisieren und Suizide verhindern will.

Jörg Engelhardt, 61 Jahre alt, weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, „wenn der Faden zum Reißen dünn ist“, wie er es nennt. Vor rund 20 Jahren erhielt er die Diagnose Depression. „Ich bin von jetzt auf gleich abgestürzt und habe nur noch funktioniert“, erzählt er. Weder habe er die Depression kommen sehen, noch habe er sie wahrgenommen. „Mein Glück war, schnell einen Platz in einer Klinik bekommen zu haben.“ Engelhardt, inzwischen stabil, hat eine Selbsthilfegruppe für Männer mit Depressionen gegründet und den großen Wunsch, dass Depression als das anerkannt wird, was sie ist: „Eine Krankheit und keine Befindlichkeit. Seitens der Krankenkassen ist das bereits geschehen, aber in der Gesellschaft ist das noch nicht angekommen“, sagt er. Zumindest erfahre die Krankheit seit einigen Jahren mehr öffentliche Wahrnehmung.

Anders das Thema Suizid. Über das redet man, wenn überhaupt, nur hinter vorgehaltener Hand. Es offen anzusprechen, ist quasi tabu: Zu groß ist die Furcht, als Betroffene oder Angehörige stigmatisiert zu werden oder als Außenstehende nicht die richtigen Worte zu finden. Dabei kann Reden Leben retten. „Wird ein Mensch auf seine möglichen Suizidgedanken angesprochen, kann das für ihn wie ein Türöffner wirken, sich anzuvertrauen und helfen zu lassen“, sagt die Psychologin Inga Beig, die das FRANS-Netzwerk vom Gesundheitsamt aus koordiniert. Engelhardt bestätigt das: „Für jemanden, der gerade in einer scheinbar ausweglosen Situation ist, kann es lebensrettend sein, zu wissen: Ich bin nicht allein, jemand ist für mich da und nimmt mich und meine Gefühle ernst. Als Außenstehender sollte man nicht die Augen verschließen, wenn man merkt, jemandem geht es gar nicht gut.“ Denn diese scheinbar ausweglose Situation ist nüchtern betrachtet nur ein Moment. Und der geht vorüber. „Nur ist ein Betroffener in diesem entscheidenden Augenblick absolut nicht in der Lage, das zu sehen“, erklärt Engelhardt.

Und so sterben in Frankfurt jedes Jahr rund 90 Menschen an Suizid. Die Zahl der Versuche liegt bei schätzungsweise bei 1.800. Der Grund für Suizide ist oftmals eine psychische Erkrankung, etwa eine Depression wie auch Engelhardt sie kennt. Doch es gibt Hilfe. Und es lohnt sich, sich helfen zu lassen. Das möchten die FRANS-Mitglieder Angehörigen, Freund:innen, Lehrer:innen und überhaupt allen vermitteln und dafür steht Jörg Engelhardt mit seiner Geschichte. Für FRANS berichtet er von seinen Erfahrungen mit seiner Krankheit, bietet sich an, wenn das Netzwerk bei Veranstaltungen über seine Arbeit und Angebote für psychisch Erkrankte informiert. Auch für Medieninterviews steht er zur Verfügung. Depressionen und Suizid seien für diejenigen Menschen, die nicht betroffen sind, kaum zu erfassen. „Man kann sich vielleicht vorstellen, wie es ist, in einer solchen Lage zu sein. Aber man kann es nicht wissen und auch nicht fühlen“, sagt Engelhardt. „Mit meinem Einsatz für FRANS will ich diesen beiden Themen ein Gesicht geben.“ Damit sie weniger abstrakt bleiben. Damit sie mehr Öffentlichkeit und gesellschaftliches Verständnis erfahren. Und damit, so das Ziel von FRANS, Suizide verringert und Suizidversuche verhindert werden können.

In Frankfurt nehmen sich 90 Menschen pro Jahr das Leben, in ganz Deutschland sind es über 9.200 (Quelle: Destatis). „Das ist etwa ein Mensch pro Stunde“, sagt Engelhardt, „Und jeder von ihnen ist einer zu viel.“

Weitere Informationen über die Selbsthilfegruppe für Männer mit Depressionen: SHG

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